NIE WIEDER IST JETZT!

Das Jahr des Widerstands

Bei den Donnerstagsdemos Ende Jänner gingen österreichweit tausende Menschen gegen Rechtsextremismus, Männerbünde und Burschenschaften auf die Straße. Kurz davor standen die sogenannten Akademikerbälle im Grazer Congress bzw. am Samstag danach in der Wiener Hofburg am Programm, die damit einmal mehr zur Versammlungsbühne der extremen Rechten degradiert wurde. Der rechte Tanz erfolgt zudem just an jenem Wochenende, an dem anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Jänner 1945 weltweit den Opfern des Holocaust gedacht wird.

Während in Graz die Do!-Demo die Straßen füllte, fand zeitgleich die alljährliche Gedenkveranstaltung im Steiermärkischen Landtag statt. Diese fragte im Titel „Wie geht Widerstand?“. Vor der Tür, aber auch dahinter, gab es klare Antworten. Die Do!Demo wurde von Anne Rieger vom KZ-Verband Steiermark mit einem Aufruf zum widerständigen Gedenken vor dem Rathaus eröffnet (>>> gesamte Rede s.u.!) und von Laura Bäumel, Studienassistentin am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Karl-Franzens-Universität, vor eben dieser mit einer furiosen Widerstandsansage gegen antidemokratische Hetze beendet (>>> gesamte Rede s.u.!) . Die Texte markieren und manifestieren einen antifaschistische Brückenschlag zwischen Geschichte, Gegenwart und Zukunft.

Indes trat im Landhaus Schriftsteller Doron Rabinovici am Rednerpult. Zuvor hatte Landtagspräsidentin Bettina Vollath in ihrem Eröffnungsstatement gewarnt, die Vergangenheithat habe uns gezeigt, „dass der schrittweise Entzug von Empathie verbunden mit Gewaltanwendung zuerst in Wort und dann in Tat in einem Gewöhnungsprozess enden kann, der gleichsam alles zulässt und in dem jeder Widerstand zum Hochrisiko wird.“ Mirjam Zadoff, Leiterin des NS-Dokumentationszentrums in München, erinnerte daran, dass Österreich kein erstes Opfer war, „Österreich war der Musterschüler, der den Lehrer Staunen machte: so schnell, so grausam und so effizient“ und sie verweist auch auf die Parallele zwischen dem Beschluss von Evian, die Grenzen für Flüchtlinge des NS-Regimes zu schließen und die heutigen Abschottungen gegen Geflüchtete.

Doron Rabinovici jedoch geht in die Offensive. „Ich muss gestehen, ich zögerte, als ich eingeladen wurde, hier zu sprechen. Stellen wir uns doch nicht dümmer, als wir sind. Die Wahl der Worte ist Teil des Kampfes. Die einstigen Widerstandskämpferund Widerstandskämpferinnen zu ehren und sie nicht zu verraten, heißt, nicht nur zu erzählen, wie es war, sondern vor allem auszusprechen, was ist, was um uns geschiehtund wie uns angekündigt wird, wir würden noch unser blaues Wunder erleben. Widerstand ist nichts Vergangenes.“ Was ist, bringt er schonungslos auf den Punkt, er nennt Namen und Umstände – hier und jetzt (>>> Video seiner Rede und der gesamten Veranstaltung siehe unten!)

Nach der eindringlichen Warnung „Wir müssen Demokratie und Rechtsstaat verteidigen, ehe das Schlimmste geschehen ist“, schließt er mit der Antwort auf die Frage im Veranstaltungstitel: „Was Widerstand heißt, kann jeder erklären, der seine Stimme erhebt, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer Sexualitätangegriffen werden. Was Widerstand heißt, lehren uns jene, die in den letzten Tagen in Budapest, doch auch inBukarest und in Warschau auf die Straße gehen. Was Widerstand heißt, rufen uns jeden Donnerstag, auch an diesem 24. Januar 2019, die Demonstranten in Wien, in Salzburg, in Linz, in Innsbruck oder hier in Graz zu. Was Widerstand heißt, lehren mich jene, die den Verfolgten zu Hilfe kommen. Von wegen NGO-Wahnsinn; von wegen Schlepper; von wegen Mafia … Nein. Was Widerstand heißt, lerne ich von denen, die Menschen nicht ertrinken lassen, die andere auf hoher See retten, selbst dann, wenn es dem Gesetz widerspricht, ja, obgleich sie dabei nicht selten ihr eigenes Leben gefährden. Sie beweisen und sie machen Mut. Diese Menschen sind die Heldenund die Heldinnendes heutigen Widerstands.“

Foto: Otmar Lichtenwörther

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Wehret den Zuständen!

Anne Rieger, Landesverband Steiermark der Österreichischen AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus (KZ-Verband/VdA Steiermark)

Anne Rieger, KZ-Verban
(Foto: Evelyn Schalk)

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

Graz steht auf für Toleranz, gelebte Demokratie, gegen Rechtsextremismus, für Menschlichkeit, für Menschenrechte! Unsere Demonstration ist der Beweis dafür!

Wir vom KZ-Verband stehen für ein friedliches, solidarisches Zusammenleben aller Menschen hier in Graz, in Österreich, in Europa, auf allen Kontinenten. Wir sagen: Stoppen wir den Rechtsextremismus, die Ausgrenzung, den Rassismus, die Diskriminierung! Setzten wir uns ein für Toleranz und gelebte Demokratie. Unser KZ-Verband ist eine Organisation der Überlebenden der Nazi-Diktatur, sterreichischer Antifaschisten und Antifaschistinnen, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus. Wir ehren und bewahren das Andenken an die Ermordeten und an jene, die von diesem Regime stigmatisiert, in die Flucht getrieben, gepeinigt worden sind. Deswegen wenden wir uns auch heute gegen jegliche Diskriminierung.

Zuerst wurden Flüchtlinge diskriminiert, dann AsylwerbeInnenr, dann alle Migrantinnen, und jetzt Arbeitslose und MindestsicherungsbezieherInnen Wer werden die nächsten sein?

Wir wollen und müssen aus der Geschichte lernen: Gerade die GründerInnen unseres antifaschistischen Verbandes, haben Ausgrenzung, Vorverurteilung, Rassismus und die Folgen hautnah erlebt. Sie – aber auch wir „Jüngeren“ – wissen, wohin Vorurteile die Menschheit im vergangenen Jahrhundert geführt haben.

Geistige Brandstifter verbreiteten und nutzten Vorurteile um Menschen gegeneinander aufzuhetzen, dann ganz Völker gegeneinander aufzuhetzen um dann einen Krieg zu führen, an dem Großkonzerne, Banken vor allem aber ihre Eigner Millionen verdient haben.

Halb Europa wurde dabei in Schutt und Asche gebombt. Millionen Menschen flohen aus ihrer Heimat, irrten durch Europa und andere Teile der Welt suchten Hilfe und Hoffnung anderswo. Flüchtende Menschen damals wie heute sind unschuldig an der Situation in ihren Ländern. Sie kommen in der Hoffnung, ein besseres Leben zu finden.

Wieder betreibt eine Regierungspartei Hetze, versucht die Bevölkerung zu spalten, in Menschen, die zuwandern und Menschen, die hier schon länger leben in Menschen denen Arbeit gegeben wird, und diejenigen die ohne Arbeit bleiben müssen. Wir lehnen jegliche Spaltungsversuche ab! Unser Verband erinnert an die Opfer des Faschismus! Wir erinnern aber auch an die Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen, die sich trotz Drangsalierungen des Regimes, trotz der Gefahren für sie, dagegen gewehrt haben. Sie sind uns Vorbilder in unserem Kampf für den Erhalt der Demokratie: Wir schauen nicht stumm zu, wenn die Stimmen von über einer Million Menschen bei Volksbegehren missachtet werden, wie beim Frauen- und Rauchervolksbegehren, schauen nicht stumm zu, wenn Frauen ihre Rechte durch Kürzung ihrer Förderungen genommen werden, schauen nicht stumm zu, wenn bei der Sozialversicherung den Versicherten ihre Mitbestimmungsrechte beschnitten werden, wir schauen nicht stumm zu, wenn die Jugendvertrauensräte in den Betrieben abgeschafft werden sollen.

Das alles ist Abbau von Demokratie!

Wir stellen uns den antidemokratischen Kräften gemeinsam in den Weg.

Erinnern heute, nach über 70 Jahren der Befreiung von Faschismus und Krieg – heisst für uns: Gemeinsam handeln gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung, Spaltung, für gelebte Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte.

Viele sagen heute: Wehret den Anfängen. Wir wehren den Zuständen!

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Demokratie oder Ich glaube wir müssen da was klären…

Laura Bäumel, Studienassistentin am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Karl-Franzens-Universität, auf der Do!Demo am 24. Jänner 2018

„Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht.“ Das liebe Leute ist eine brandaktuelle Aussage von Innenminister Herbert Kickl.

Ich glaube wir müssen da was klären, Herr Kickl: Der österreichische Staat unterliegt einem demokratischen Prinzip. Dessen Grundlage ist die Verfassung, durch die die Grundrechte garantiert werden. Das Verfassungsrecht schützt die Menschen vor der Willkür von Politiker_innen. Darüber sollte man nicht diskutieren müssen, Herr Kickl. Freiheit, Sicherheit und Würde sind nämlich nicht zu diskutieren!

Jetzt hat Österreich einen Innenminister, der die Verfassung vorgestern öffentlich anzweifelte. Und das ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Es ist immer der gleiche Mechanismus: Schleichend wird Untragbares salonfähig gemacht.

Der Grundkonsens der Demokratie, das Mindeste, die Grundrechte wurden diese Woche von einem amtierenden Minister in Frage gestellt.

Doch wir sind heute da, um für eine offene Gesellschaft einzutreten – wir lassen uns diesen Grundkonsens nicht nehmen!

Anstatt die Verfassung zu respektieren und die Rechte der Menschen zu schützen, greift die Politik die Themen von Neurechten und Populist_innen auf. So wird das Leid von Menschen aus anderen Ländern, die verzweifelt um Asyl ansuchen, als politisches Kapital genützt. Die Folge daraus ist, dass die FPÖ (wieder) in der Regierung sitzt und jetzt rechtsextreme Burschenschafter bei der Gesetzgebung mitreden.

Wir sind heute hier, weil wir den zerschnittenen Wangen von gestern auf Wiedersehen sagen und stattdessen die tolerante und freie Gesellschaft begrüßen.

Demokratie darf nie missbraucht werden, deswegen muss Demokratie manchmal auch intolerant sein gegenüber den Intoleranten – den Feinden der Demokratie!

Demokratie und Freiheit gibt es nur dann, wenn genug Menschen für sie eintreten! Und wir treten für sie ein! Wir sind die offene Gesellschaft und wir lassen sie uns nicht nehmen!

„Wir können nicht mit Dingen aus den 50er Jahren herumtun unter völlig anderen Voraussetzungen. Da muss man ja einmal weiterdenken!“ sagt Innenminister Kickl über die Menschenrechtskonvention.2

Weiterdenken also? Wir haben es mit einer Regierung zu tun, die das Ergebnis einer demokratischen Wahl ist, aber systematisch an der Zerstörung unserer Demokratie arbeitet.

Was ist das für eine Demokratie, in der Kickl die Verfassung und die Menschenrechte anzweifelt und „weiterdenken“ möchte?

Was ist das für ein Rechtsstaat, in dem Asylwerber_innen systematisch diskriminiert werden?

Was ist das für eine Demokratie, in der vom Innenministerium Vorschläge zur Einschränkung von kritischen Medien kommen?

Was ist das für eine Demokratie, in der Asylwerber_innen abgeschoben werden, obwohl sie im Herkunftsland der sichere Tod erwartet?

Demokratie und Rechtsextremismus sind und bleiben unvereinbar.

Wir sind heute hier, weil wir die offene Gesellschaft sind! Wir sind die, denen die Mitmenschen am Herzen liegen.

Wir sind die, die die Aufgaben des Sozialstaats übernehmen, wenn dieser seine Pflichten nicht erfüllt!

Wir sind die, die der sozialen Kälte trotzen!

Lasst uns so wie wir heute zusammen sind, weiterhin zusammen sein.

Egal woher wir kommen, wir wissen, wohin wir gehen – zusammen sind wir gelebte Demokratie!

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„Wie geht Widerstand?“

Holocaust-Gedenkveranstaltung im Landtag Steiermark am 24. Jänner 2018
Mit Reden von Bettina Vollath, Mirjam Zadoff und Doron Rabinovici.

Doron Rabinovici ab Min. 45.00