EIN EUROPA, DAS (MIR) NÜTZT

Hintergrund

Österreich konzentriert sich auch im Ratsvorsitz auf Kurzens Interessen

„Viele Bürger“ dächten ja, die nationale Ebene schütze sie besser als die europäische. „Wir aber wollen ein Europa schaffen, das schützt.“ Gesagt hat das vor zehn Jahren der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy und dabei vor allem an Märkte gedacht. Seit seiner erstmaligen Verwendung anno 2008 hat der Spruch vom „Europa, das schützt“, vor allem in Frankreich etliche Deutungen erfahren. Sarkozys Nachfolger François Hollande nutzte ihn extensiv, und nach seiner Wahl im Mai 2017 griff auch sein Nachfolger Emmanuel Macron ihn auf.Seit Österreich das „Europa, das schützt“ zum Motto seines EU-Ratsvorsitzes gemacht hat, ist es mit der Vieldeutigkeit vorbei. Ein Europa, das etwa Flüchtlinge oder auch demokratische Rechte wirksam schützen würde, ist jedenfalls nicht gemeint.

Seit Österreich das „Europa, das schützt“ zum Motto seines EU-Ratsvorsitzes gemacht hat, ist es mit der Vieldeutigkeit vorbei. Ein Europa, das etwa Flüchtlinge oder auch demokratische Rechte wirksam schützen würde, ist jedenfalls nicht gemeint.

(Siehe dazu: https://tatsachen.at/2018/07/03/erst-domino-jetzt-mikado/ )

„Verstärkter EU-Außengrenzschutz“ und der „Kampf gegen die illegale Migration“ sind nach den Worten von Bundeskanzler Sebastian Kurz die Schwerpunkte der Präsidentschaft. Am 20. September soll dazu in Salzburg ein Gipfel stattfinden. „Das geht eigentlich nicht“, kritisiert ein hoher Kommissionsbeamter das Vorhaben, „dass ein Vorsitzland seine eigenen nationalen Prioritäten so in den Vordergrund stellt, wie die Österreicher es tun.“

Der Europäische Rat hat das Thema zwar geschluckt. Bis  zum Datum des Treffens aber haben die Staats- und Regierungschefs immer noch die Möglichkeit, die Tagesordnung kurzerhand umzuwerfen und den Gipfel umzufunktionieren. So erging es im Mai den Bulgaren, die eigentlich über die Südosterweiterung reden wollten, aber erfahren mussten, dass die anderen lieber über ganz andere Fragen debattierten.

Der Ratsvorsitz bestimmt nach den Brüsseler Usancen keinesfalls die Richtlinien der Europapolitik. Gerade in der heftig umstrittenen Migrationsfrage kann Wien sich bestenfalls als „ehrlicher Makler“ präsentieren. Stattdessen aber übt es sich eher im trickreichen „Maggeln“ – wie in der Zentralregion der EU, am Rhein, das heimliche Aushecken genannt wird. In der Troika mit Bulgarien und Rumänien, dem Vorgänger- und dem Nachfolgerland im Ratsvorsitz, hat Wien leichtes Spiel: Beide Regierungen haben in Brüssel kaum Gewicht.

In Brüssel herrscht die ortstypische Gelassenheit: Turbulenzen an der Peripherie werden im Zentrum des Hurrikans traditionell mit großer Ruhe beobachtet. Dass die Österreicher den Ratsvorsitz routiniert und professionell abwickeln werden, wird nicht bezweifelt. Zwar mied etwa Innenminister Herbert Kickl bei seinem ersten Brüssel-Besuch nach Amtsantritt zu allgemeiner Verwunderung die gesamte Kommission sowie die Fraktionsspitzen im Parlament und traf sich ausschließlich mit geneigten FPÖ- und ÖVP-Abgeordneten. Inzwischen hätten die Kontakte sich aber normalisiert.

Große Beschlüsse, heißt es in der Kommission, seien eh nicht zu erwarten. Der Showdown zum Brexit steht erst für den März nächsten Jahres an. Auch eine Entscheidung über den Haushalt für die Jahre 2020 bis 2026 dürfte kaum vor der Europawahl im Mai 2019 fallen.

In beiden Fragen ist Österreich positioniert, aber auch flexibel. Beim Brexit steht Wien für die „weiche“ Variante. Der Hintergrund ist, dass London sich schon vor seiner Volksabstimmung Brüssel präventiv einige Zugeständnisse abhandelte, die jetzt auch Wien nutzen würde: So hatten die Briten sich ausbedungen, die Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder dem dortigen Lebensstandard anzupassen, sprich zu kürzen – ganz so, wie die schwarz-blaue Koalition es beschlossen hat.

Beim Finanzrahmen sieht Österreich sich in einer Front mit den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Finnland und will einen Anstieg der Beiträge auf 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens vermeiden. Die Zahl der Kompromissmöglichkeiten ist allerdings unbegrenzt: In jeder Phase der Verhandlungen lässt sich jede Forderung gegen eine andere tauschen. In beiden Fragen, Brexit und Finanzrahmen, könnte sich Wien schon jetzt als „Brückenbauer“ profilieren.

Für eingehende Beschäftigung mit den anstehenden Sachthemen hat die Bundesregierung bisher erst wenige Anhaltspunkte geliefert.

Für eingehende Beschäftigung mit den anstehenden Sachthemen hat die Bundesregierung bisher erst wenige Anhaltspunkte geliefert. Beim Besuch in Brüssel Anfang Juni konnte Kurz auf Junckers hartnäckiges und zunehmend ärgerliches Nachfragen, wo er denn bitte kürzen wolle, nur mit der Wiener Formel vom „Sparen im System“ antworten. Der Luxemburger hat ihn nicht verstanden.

 

 

Foto: RDK Germania 1 Herrscherbild Ottos II. oder III

Huldigung der Provinzen am Thron Ottos II. (III.?). Sog. Meister des Registrum Gregorii, nach 983. Chantilly, Musée Condé, Nr. 15 654, ms. 14bis (Einzelblatt). Nach: Jacques Meurgey, Les principaux manuscrits à peinture du Musée Condé à Chantilly, Paris 1930, Taf. I.