PRESSEFREIHEIT: ENTWICKLUNG SCHOCKIEREND

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„Ich bin schockiert darüber, in welche Richtung sich die Pressefreiheit in einem Land wie Österreich entwickelt hat“, so Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich (ROG).

Nur noch als „ausreichend“ wird der Zustand der Pressefreiheit im Jahr 2019 im eben publizierten internationalen Ranking der Pressefreiheit eingestuft. Österreich ist darin um ganze fünf Plätze von Platz 11 auf Platz 16 abgerutscht. Grund für die massive Verschlechterung sind laut ROG in erster Linie direkte Angriffe auf Journalist*innen von Seiten der Politik.

Seit Beginn der schwarzblauen Koalition und damit der Regierungsbeteiligung der FPÖ nehmen „medienfeindliche Rhetorik und Drohungen gegen Medienschaffende stark zu“, immer öfter würden kritische Journalist*innen von Regierungsvertreter*innen diffamiert, unmittelbare Angriffe auf Medien seien häufiger geworden. Die Auswirkungen der Angst vor persönlichen Angriffen sind laut ROG vor allem: Selbstzensur und folglich weniger kritische Berichterstattung (ROG-Bericht zu Österreich hier)

Eine Machtstrategie, die auch in anderen Ländern, in denen totalitäre Strömungen im Aufwind bzw. an der Macht sind, Anwendung findet. So hat sich der Zustand der Pressefreiheit in Serbien und Ungarn weiter dramatisch verschlechtert, sie sind jeweils um 14 Plätze (Serbien auf Platz 90, Ungarn auf Platz 87) abgestürzt. „Aus unseren Nachbarländern wissen wir, wie leicht angreifbar scheinbar unangreifbare Werte wie Pressefreiheit sind. Umso mehr müssen wir uns für sie einsetzen“, appelliert Rubina Möhring.

Ein neuerlicher Beleg für den Ernst der Lage kommt dann auch noch am selben Tag aus Serbien. Dort ging gestern ein Video mit Drohungen und Diffamierungen gegen Slobodan Georgiev, den Chefredakteur des Investigativnetzwerks BIRN Srbija online.

Gepostet wurde es offenbar vom Twitter-Account einer Mitarbeiterin von Premierministerin Brnabić. Auch weitere Journalist*innen und unabhängige Portale wie KRIK oder CINS, werden darin zur Zielscheibe von Angriffen. Der OSZE-Sprecher für Medienfreiheit Herlem Désir, zeigte sich schockiert und nannte das Video dezidiert einen Aufruf zu Gewalt gegen Journalist*innen. Just am Tag zuvor hatte BIRN eine Recherche veröffentlicht, die Verbindungen von Andrej Vučić, dem Bruder des serbischen Präsidenten, zu einem Geschäftsmann mit mutmaßlichem Hintergrund im organisierten Verbrechen aufzeigt.

Georgiev hielt gestern fest, sollte ihm etwas zustoßen, sei dafür die Parteiführung der SNS (der Partei von Vučić und Brnabić) direkt verantwortlich. Heute protestierten Journalist*innen einem Aufruf der Wochenzeitung Vreme folgend, gegen deren Mitarbeiter*innen es ebenfalls seit geraumer Zeit immer wieder Drohungen gibt, vor der Staatsanwaltschaft für Hi-Tech Verbrechen. Medienfreiheit ist zudem von Beginn an eine der Hauptforderungen der #1od5miliona-Proteste in Serbien (mehr dazu hier). Gehör bei den Machthabenden hat sie bis heute nich gefunden.

In Ungarn wiederum sind die öffentlichen Proteste inzwischen fast zum Erliegen gekommen, Orbán hat Rundfunk und Presse nahezu gänzlich unter seine Kontrolle gebracht, unabhängigen Plattformen bleibt meist nur die Online-Publikation, die wiederum kaum hohe Rechweiten erzielt. Vor wenigen Tagen wurde einer der letzten verbliebenen unabhängigen Wochenzeitungen hvg.hu der Vertrag für öffentliche Werbeflächen gekündigt, die sie seit über 40 Jahren bespielt. Mitarbeiter*innen protestieren heute mit einem Flashmob und tragen ihre Titelseiten selbst durch die Straßen von Budapest.

Erfreulich sind die Entwicklungen in Nordmazedonien, wo sich nach dem Ende der Gruevski-Regimes die Lage der Pressefreiheit verbessert hat. Und auch im Kosovo ist eine leicht positive Entwicklung zu verzeichnen, ein Aufstieg von Platz 78 auf Platz 75.

In Österreich werden weiterhin regierungstreue Medien mit Anzeigengeldern überschüttet, seit Regierungsbeteiligung der FPÖ fließen diese auch an rechtsextreme Magazine und Portale. Kritischen Medien wiederum sollen sogar offizielle Informationen vorenthalten werden. Aber von einer Einschränkung der Pressefreiheit könne in Österreich keine Rede sein, teilte das Bundeskanzleramt in Reaktion auf die Publikation des ROG-Rankings mit.

Von Seiten der EU kommt zu alldem wieder einmal – viel Schweigen. „Unabhängiger Journalismus ist Basis jeder Demokratie und muss entsprechend verteidigt werden“, so Möhring. Wie also können so knapp vor den EU-Wahlen derart alarmierende Entwicklungen ignoriert werden?

Haben alle schon die Ankündigung von Steve Bannon, Gründers des ultrarechten Breitbart-Medienkonzerns, vergessen, die Wahlen unmittelbar beeinflussen zu wollen? Er bringt seine neue Organisation „The Movement“ längst in Stellung (siehe dazu aktuell auf BBC). Ein düsteres Szenario, das sich da am nahen Horizont abzeichnet, erhellende Gegenmaßnahmen lassen schon viel zu lang auf sich warten.

Foto: von Elijah O’Donnell on Unsplash