Nacht in Österreich

NEWS

In dieser Nacht wurden mitten in Wien zwei Mädchen und ihre Mutter aus ihren Betten und Leben gerissen und unter Einsatz von Sonderpolizeikommandos und scharfen Hunden deportiert, mitten in der Pandemie, in ein Land (Georgien), das sie nicht kennen, die Kinder sind in Österreich geboren, aufgewachsen, gehen hier zur Schule.

Es ist grausam, es ist inhuman, es ist wie tausendmal zuvor, schon lange, immer wieder, mit voller Absicht, mit System. Diese Deportation ist kein Einzelfall und keine Ausnahme, im Gegenteil. Seit Jahren nicht. Über 5300 Menschen wurden 2019 aus Österreich abgeschoben. Seit einigen Wochen werden wieder mehr Deportationen durchgezogen, nach Afghanistan, Nigeria u.a. „13 Plolizisten sind bei uns zu Hause und nehmen uns mit“, so ein Mädchen vor wenigen Tagen, als sie verzweifelt spät abends eine Schulfreundin anrief. Für den Verbleib einer anderen Familie kämpften Kolleg*innen seit Wochen – vergeblich.

Das macht die Deportation von letzter Nacht nicht weniger schlimm, nur die Verantwortlichen, die Zusehenden, die Schweigenden noch verachtenswerter. Diesmal gibt es (endlich) breite mediale Aufmerksamkeit, gleichzeitig verzweifelten Protest von Freund*innen, Nachbar*innen, Aktivist*innen, die stundenlang in der Kälte friedlich, mit Masken und so gut wie möglich Abstand haltend versuchen, die Abschiebung doch noch zu verhindern. Sie protestieren vor dem Schubhaftzentrum in der Zinnergasse in Wien, wohin man die Familie gebracht hat, die ganze Nacht. Am frühen Morgen rückt die WEGA an, der Einsatz gleicht einem Anti-Terroreinsatz, und löst die Blockade brutal auf. Die abgrundtiefe Häme und Menschenverachtung ist kaum zu fassen, „Haha, winkt’s ihnen noch einmal“, ruft ein Polizist den Mitschüler*innen zu. Viele von ihnen sind den Tränen nahe, als der Bus, in den man die Familie inzwischen verfrachtet hat, um fünf Uhr Früh Richtung Flughafen abfährt. Der Polizeieinsatzleiter inzwischen zum Falter-Chefredakteur: „Und jetzt verschwind mit deiner Heislpapierzeitung“.

Dass die Entwicklungen rund um BVT, Ibiza-Video und dilettantische Pandemiebekämpfung gerade immer brenzliger werden und man Brutalität gegen Kinder als innenpolitisches Ablenkungsmanöver nutzt, ist einfach nur mehr erbärmlich.

Dass von der ÖVP nichts anderes zu erwarten war, ist bekannt oder sollte es längst sein. Dass die Grünen dabei mitmachen, kostet sie noch die letzte Glaubwürdigkeit.

Kinderdeportation mit NieWieder- und WeRemember-Schildern in der Hand, am Holocaust Gedenktag, und Polizeikommandos, die Hunde auf friedliche und verzweifelte Protestierende hetzen. Ja, so ist Österreich. Nicht alle, aber viel zu viele. Es sind dieselben, die Menschen im Mittelmeer ertrinken, in Moria im Dreck ersticken und in Lipa und Bihać erfrieren und verprügeln lassen. Es sind dieselben, die „wir“ sagen, und Nation, Herkunft, Geld und Klasse meinen und deren Mitgefühl bei einem Erlagschein für Licht ins Dunkel endet. Es ist sehr finster in diesem Land, in dem „wir“ doch alles richtig gemacht haben.

*

Foto: Presse Service Wien, Videostill

https://twitter.com/PresseWien/status/1354712832105992195?s=20