ÄHNLICH – VERBRANNT – VERSTEHEN
Habiba Karimian „Narges Niromand“
Aus Dari/Persisch ins Deutsche übertragen von Sina Salehi
Ich bin der Erde meiner Heimat so ähnlich
genauso zerstört
aber stolz und stark.
Langlebig.
Je öfter wir verletzt wurden, desto mehr zerstören wir uns selbst.
Nicht die, die uns zerstören.
Mit Gewalt geben uns Menschen Blut zu fressen, die ein schwarzes Tuch um den Kopf gebunden haben und Taliban oder IS heißen.
Und wir machen diese Politik mit, trotzdem unsere Bäuche hungrig bleiben.
Und verdecken unser Gesicht mit der Farbe der Unzufriedenheit
damit sie uns mit ihrer Dummheit nicht in die Tiefe der Hölle ziehen.
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Mein Lächeln wurde verbrannt
Zwischen den Explosionen, die mein Land geschwängert hatten
Und meine Heimat gebiert Tote
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Damals habe ich den Sinn seines Spruches nicht verstanden, als er sagte: „Die beste Schule ist das Reisen“.
Vielleicht, weil ich erfahrungslos war, aber jetzt erkenne ich, was diese beiden Worte bedeuten. Ich denke gerade darüber nach, welche Geschehnisse ihn so reif gemacht haben. Ehrlich gesagt, weiß ich nichts über die Ereignisse in seinem Leben, nicht, was er auf seiner Reise erlebt hat, wie er sich fühlte, als ihn seine Familie verlassen hat. Ich weiß auch nichts über seine Gefühle , während er am Strand spazieren ging und bis zum nächsten Morgen die Sterne zählte, damit die Zeit schneller vergehen möge.
Ich war mir allem so klar bewusst, manchmal habe ich seine Worte in Herz und Gehirn aufgenommen, als ob ich selbst alles erlebt hätte. Ich spürte seinen Schmerz ganz genau, dennoch konnte ich nicht verstehen, was mit „die beste Schule ist die Reise“ gemeint war.
Jetzt weiß ich, wie fertig er gewesen ist, die Einsamkeit war sein einziger Freund im Leben, jetzt weiß ich, wie fertig er von den gnadenlosen Menschen und seiner Umgebung war und wieviel Leid er in seinem Herz und Kopf durchmachte. Er konnte seinen Geist nicht von seinem schmerzenden Körper trennen. Vielleicht dachte er auch, wenn das die Menschheit ist, dann hasse ich jedes Lebewesen, das Mensch heißt.
Vielleicht hat er sich genau wie ich gewünscht, alles sollte existieren außer dem Mensch. Ich wünschte, da wäre ein Schiff im Herzen des Meers oder ein Vogel, der sein Nest auf dem höchsten Punkt des Baumes baut.
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Zur Biographie der Autorin:
Ich bin Habiba Karimian, genannt Narges Niromand, eine junge Frau aus Herat, Afghanistan. Eineinhalb Jahrzehnte habe ich unter verborgener Identität geschrieben und gelebt, um die patriarchalen Männer von Herat nicht wütend zu machen und damit meine Familie in Gefahr zu bringen. Ich komme aus einer gebildeten Familie, meine Eltern sind Lehrer, aber wegen der angespannten und isolierten Situation in Herat konnte ich das Risiko nicht eingehen, unter meiner wahren Identität zu publizieren. Das war auch in der Literarischen Gesellschaft von Herat nicht möglich, der Heimat von Dichtern aus der Stadt und ganz Afghanistan, wo ich aufgewachsen bin und habe viele Jahre lang geschrieben habe. Jetzt, da ich diesen geschlossenen Raum verlassen konnte, will ich nicht mehr unter einer fremden Identität schreiben. Aber ich kann dieses Pseudonym Narges Niromand, auch nicht einfach ablegen. Dieser Name ist ein geliebter Teil von mir geworden. Ich habe im Alter von dreizehn Jahren zu schreiben begonnen, habe dann Jura studiert und bin Mitglied der Literarischen Gesellschaft von Herat. Ich war sehr aktiv, nahm an zahlreichen zivilgesellschaftlichen Aktionen in Herat teil und versuchte, so viel wie möglich zu lernen. Ich habe auch eine Ausbildung zur Journalistin am Nai-Institut absolviert, das freie Medien in Afghanistan unterstützt und begonnen, als Reporterin für das Assr-Magazin an lokalen Radioprogrammen mitzuarbeiten. Jetzt bin ich in Pakistan. Trotz aller Probleme und Umbrüche, die es in Afghanistan gibt und obwohl ich vor kurzem meinen Vater verloren habe, der mir alles im Leben bedeutete, hoffe ich auf eine hellere Zukunft. Daher möchte ich dieses Mal meine Texte noch mit dem Namen Habiba Karimian „Narges Niromand“ unterzeichnen.
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Die Publikation erscheint in der Reihe About War – Die Sprache des Krieges, eine Kooperation von tatsachen.at/ausreißer – Die Wandzeitung mit GKP – Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik, Kunstraum Steiermark und Kulturvermittlung Steiermark.