AN DER GRENZE

About War

Fotoreportage von Alexander Danner

Die Zelte sind wieder da – oder noch immer. Tausende Geflüchtete wurden seit letzten Herbst im südsteirischen Spielfeld nicht in festen Quartieren, sondern in Großraumzelten untergebracht. Überlebende des Krieges in Syrien, des Taliban-Regimes in Afghanistan, der Qualen auf der Balkanroute. Die meisten sind hungrig, durstig, in zerfetzter Kleidung, ohne Schuhe, viele von ihnen auch verletzt. Seit die Zelte der „Wartezone Spielfeld“ 2015/16 installiert wurden, sind sie nicht mehr abgebaut worden. Wärme, ausreichend Verpflegung, medizinische Versorgung – all das fehlt im Lager in Spielfeld. Der Aufenthalt sollte offiziell maximal 48 Stunden betragen, doch viele Geflüchtete müssen bis zu drei Wochen in den Zelten ausharren, bevor sie in feste Unterkünfte verlegt werden. Keine der großen NGOs ist vor Ort, Anwohner*innen und Helfer*innen privater Initiativen, allen voran Bordercrossing Spielfeld, kochen, sammeln Kleidung, verteilen Hygieneartikel, organisieren Arztbesuche – seit Monaten. Die Verantwortung für die Lage wird zwischen Innenministerium und Landesregierung hin- und hergeschoben. Auf der Strecke oder vielmehr in den Zelten bleiben die Menschen. Inzwischen hat sich zivilgesellschaftlichen Protest gegen diese Zustände formiert. In einem offenen Brief wird die Schließung des Camps gefordert: für Zimmer statt Zelte!1 Die Frage, ob und wann Österreich Schutzsuchende endlich menschenwürdig unterbringt und versorgt, scheint bis dato aber eine einzige Wartezone.

Aus Toastbrot und Wasser bestanden monatelang Frühstück und Abendessen für die Geflüchteten im Zeltlager Spielfeld. Freiwillige Helfer*innen kochen am Parkplatz vor dem Camp für hunderte hungrige Schutzsuchende.
Jubel über einen Sieg Tunesiens bei der Fußball-WM 2022. Die Spiele am Handy zu verfolgen ist eine der wenigen Abwechslungen im Camp – und manchmal ein rarer Moment der Freude.
Oft werden Geflüchtete quer durch Österreich ins Camp nach Spielfeld geschickt, stundenlange Bus- und Zugfahrten ohne Verpflegung oder Erstversorgung und eine ungefähre Information über die Lage des Erstaufnahmezentrums.
Ankommen im Nirgendwo – vor den Toren der „Wartezone Spielfeld“.
In den Großraumzelten reiht sich Pritsche an Pritsche auf engstem Raum. Es ist kalt, viele Menschen sind krank, schlafen kann kaum jemand richtig.
Viele der Geflüchteten erreichen Spielfeld mitten im Winter in Flip Flops oder barfuß. Aber auch später bleiben Schuhe Mangelware.
Bei der Erstregistrierung im Container der Polizei am Eingang zum Lager erhält jeder Ankommende ein gelbes Armband mit einer Nummer darauf. Sie markiert die Reihenfolge der Ankünfte und des bitter erwarteten Transfers in eine feste Unterkunft.
Abgeschiedenheit und Isolation prägen den Alltag im Camp, denn das Zeltlager liegt abseitig am alten Grenzübergang hinter einem aufgelassenen LKW-Parkplatz.
Dixi-Klos, Duschen im Container, keinerlei Waschmöglichkeit für Kleidung: Das sind die Hygienestandards in Spielfeld.
Es regnet, es ist kalt und matschig. Gekickt wird trotzdem – nur irgendwie das Warten ertragen.
Warten – auf Essen, Kleidung, Waschen, Transfer – Leben.
Die Polizei ist mit zehn bis zwanzig Beamt*innen täglich vor Ort und für Erstregistrierung und Sicherheit zuständig – nennenswerte Zwischenfälle habe es noch nie gegeben.
Spielfeld, 4. Advent 2022
Zimmer, Rooms, Sobe statt Zelte!

1Anm. d. Red.: Zahlreiche Kulturinitiativen zählen zu den Erstunterzeichner*innen des Briefes, ebenso der ausreißer -Die Wandzeitung. Nähere Infos hier: https://www.facebook.com/RefugeesSpielfeld/


Zur Biografie des Fotografen:

Alexander Danner, geboren 1983, aufgewachsen im südsteirischen Grenzland, arbeitet von Graz aus als Fotojournalist und Dokumentarfotograf. Die immer wiederkehrende Beschäftigung mit den Themen Flucht und Migration brachte ihn unter anderem von der griechischen Insel Lesbos, über Ungarn zuletzt wieder zurück an die österreichische Südgrenze nach Spielfeld.

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Die Publikation erscheint in der Reihe About War – Die Sprache des Krieges, eine Kooperation von tatsachen.at/ausreißer – Die Wandzeitung mit GKP – Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik, Kunstraum Steiermark und Kulturvermittlung Steiermark.