Newsticker 1. Mai 2018 – Was ist.
Zum Auftakt ein kurzer Überblick, worüber aktuell gesprochen, geschwiegen, was ernsthaft diskutiert wird und was schon Realität geworden ist.
Ins Detail geht’s in den nächsten Tagen.
> Es ist der 1. Mai des Jahres 2018 und die Möglichkeit der Einführung eines 12-Stunden-Tages wird nicht mehr in Frage gestellt.
> Die Notstandshilfe soll abgeschafft, die Kürzung der Mindestsicherung schon in einem Monat realisiert werden. Das bedeutet, gezielt Armut zu erzeugen und bestehende zu verschärfen.
Zudem wird von Seiten der Bundesregierung gerade daran gearbeitet, das Verfassungsrecht auf Nichtdiskrimierung auszuebeln, das die versuchte Benachteiligung von Migrant*innen (siehe u.a. Niederösterreich) zumindest diesbezüglich bisher verhindert hat. Der mediale Boulevard schreibt Recht zu Ungerechtigkeit um, definiert damit Unrecht als Gerechtigkeit, also Recht, und lässt sich mittels Inseratenschaltung dafür bezahlen.
> Die Verankerung von Wirtschaftswachstum im Verfassungsrang wird ernsthaft in Betracht gezogen. Dieses „Staatsziel“ bedeutet de facto die Abschaffung des Staates. Für Konzerne würde die juristische Basis geschaffen, die Republik „bei Nichteinhaltung“ in Milliardenhöhe zu verklagen. Jede*r einzelne Bürger*in müsste dafür bezahlen. Kritik kommt nicht zuletzt aus dem eigenen Finanzministerium. Aufschrei? Distanzierung? Fehlanzeige. Der Kurs der Lemminge wird beibehalten.
> Rassistische Angriffe durch politische Funktionär*innen und die dadurch geschürte breite Hetze ist an der Tagesordnung und auf dieser geduldet. Die afroösterreischische neue stellvertretende Wiener SPÖ-Bezirksvorsteherin Mireille Ngosso wird öffentlich von lokalen FPÖ-Funktionär*innen zum Ziel rassistischer Angriffe, der Online-Mob folgt prompt und überzieht die Politikerin mit wüstesten rassistischen Beschimpfungen. Ngossso selbst sagt: „Ab dem Moment der Angelobung dieser Bundesregierung wurde rassistisches Gedankengut salonfähig gemacht. Es wundert mich also nicht.“
Der 15-jährige Omid Rahimi aus Afghanistan gewinnt einen Redewettbewerb, der Bericht in den Oberösterreichischen Nachrichten erzählt die Erfolgsgeschichte von Rahimi, der erst vor zweieinhalb Jahren nach Österreich kam und – nicht zuletzt durch entsprechende schulische Förderung – so unglaublich schnell perfekt Deutsch lernte. Die rassistischen Kommentare im Netz sind derart gewaltig, dass die Zeitung daraufhin ihr Online-Forum schließen muss. Im letzten Absatz des Artikels ist noch vermerkt, dass der Asylantrag der bestens integrierten Familie in erster Instanz abgelehnt wurde und sie nur mehr auf die zweite Anhörung hoffen kann.
In beiden – und zahlreichen ähnlichen Fällen – erfahren die Betroffenen auch Solidarität, aber keiner der Verantwortlichen wird für seine Taten belangt.
> Die Abschiebung gut integrierter Familien häuft sich, diese sind sogar besonders gefährdet. Weder Kinder noch Kranke werden mehr verschont, Grundrechte buchstäblich mit Füßen getreten. Das unmittelbare Umfeld ist oft schockiert und versucht, sich zur Wehr zu setzen. Fast immer vergeblich. Darüber hinaus ist keine öffentliche Empörung oder Widerstand sichtbar.
Das Vorgehen hat Strategie. Die Erfahrung, die Sichtbarkeit von gelingendem Zusammenleben, von Miteinander statt Gegeneinander, wird durch Schwarzblau bewusst zerstört – sind sie doch das stärkste Mittel gegen Rassismus und Abgrenzung. Dieses wird eliminiert.
Abschiebungen in Kriegsgebiete werden nicht mehr beeinsprucht, Meldungen von Geflüchteten, die nach ihren Abschiebungen verfolgt, misshandelt, getötet werden, finden medial kaum Beachtung. Es fragt auch niemand nach ihnen.
Ebenso wenig wie nach den Toten im Mittelmeer. Regelmäßig kentern Boote, ertrinken hunderte Menschen. Ihr Sterben ist europäischer Alltag geworden. Für ihre Tode wird niemand verurteilt.
> Überwachung wird als Datenschutz verkauft und beschlossen. Abgehakt.
> Rechtsextreme und schlagende Burschenschafter bekleiden in nahezu sämtlichen öffentlichen Institutionen höchste Ämter. Sie singen Nazi-Lieder und machen Karriere. Es ist möglich. Es wird akzeptiert.
Es geht weiter. Wort für Tat.
Foto: (c) Evelyn Schalk