das gleichnis mit dem holzscheit. teil 2

Investigative Poetry

was bisher geschah: in einem white cube mit „einer vielzahl österreichischer intellektueller“ darin erscheint als mene tekel, flammenschrift, ein textauszug aus dem neuen album des schlagersängers a. gabalier, in dem dieser die freuden der heimatlichkeit auf das denkbar stumpfsinnigste besingt, und zwar so, dass es von „ideologiekritischer“ parodie nicht mehr unterscheidbar ist. wir malen uns aus, wie die versammelten homini litterae reagieren – verfallen sie in panik und prügeln sich? kooperieren sie? vor allem aber: was ist das für ein erbärmlicher schaas, den sie da lesen müssen, wo kommt er her und was sagt er ihnen?

bevor die meisten österreichischen intellektuellen in jenem weißen weiten raume noch wirklich reagieren können auf die geisterhafte schrift vor ihnen an der wand – ja bevor sie’s fertiggelesen haben, das gedicht, das ihnen mit dem schlag der kuckucksuhr erschienen – passiert, mit den worten von wolf haas (ebenfalls im raume anwesend), schon wieder was:

irgendwo dröhnen motoren, nichtwahr, und ein jeder bzw. eine jede glaubt, es kommt von grade dort in der weißen wand, wo er/sie steht. entsprechend angespannt schauen sie alle in ihre jeweilige richtung. die geisterhafte schrift ist vergessen, da der motorlärm ohrenbetäubend wird.

endlich: knallt durch eine der wände ein kampfpanzer des typs leopard, dass der putz nur so stäubt und und ddeckenplatten purzeln; knallt mit einiger geschwindigkeit und ohne zu bremsen.

ui, da ist aber das beiseitespringen höchste vergeblich, und die diversen knochen splittern …

mit einem schlag werden die ehrenwerten belegschaften der zeitschriften podium, perspektive und schreibkraft sowie die feuilletonredaktion aller großformatigen zeitungen ausgelöscht; sehen wir die blüte der österreichischen schriftsprache zu gatsch gewalzt und dann sofort den gatsch mit and- und deckenputz zu brei gemahlen …

ach es hilft nichts. groß ist er schon, der weiße raum, aber nicht SO groß, und seine wände bleiben unnachgiebig, zumindest, wenn sie von bloßen menschen nach fluchtwegen abgeklopft werden. der panzer röhrt, die denker rennen bis sie fallen, und dann müssen sie auch kaum mehr lang leiden.

einzig die in teil eins bereits erwähnten damen jelinek und mayröcker – wir wissen’s nicht, ob aus schierem glück oder aufgrund überragender kaltschnäuzigkeit – schaffen es, auf just jenem wege zu flüchten, auf dem der panzer kam: durchs loch in der wand.

bald verhallen hinter ihnen die schreie ebenso wie das unangenehme schmatzen der panzerkette im gatsch, der eben noch österriechische intellektuelle waren: jelinek und mayröcker befinden sich in einem dunklen gang, in dem es so aussieht, wie wir uns vorstellen, dass es hinter den kulissen aussehen muß.

hinter was für kulissen? – wurscht.

wo kam der panzer her? – wurscht.

da mayröcker stolpert, reicht ihr jelinek die hand, und hand in hand rennen die beiden größten österreichischen gegenwartsautorinnen auf einen ausgang vor ihnen zu, weil wo sonst soll einer sein, nichtwahr?

wir denken, da wir ihnen zusehen, an fräulein ellen ripley aus den hervorragenden filmen des „alien“-franchises, und fragen uns, wo sie nun flammenwerfer oder improvisierte schlagwaffen hernehmen sollen.

immer schneller laufen sie, immer monotoner wird ihr keuchen, immer weiter bleibt das knurrendröhnen des panzers und der raum zurück, dem sie entronnen sind.

da kommen mayröcker und jelinek an eine tür im barocken stil, durch die licht dringt. mit den taffen blicken von actionheldinnen, die sie ja nun sind, verständigen sich die beiden, und treten mit einem ruck die tür auf, alle bereiche des dahinterliegenden raums aufs taktisch klügste mit den blicken abdeckend.

wo sie sich befindden, ist ein rokkokokkiges lustgärtlein unter freiem himmel. von hier kam der depperte panzer nicht gerollt, denken wir uns, aber unsere aufmerksamkeit – un die unserer heldinnen – wird sofort gefesselt von einem ang’soffenen putten-engerls, das frohlockend auf einer schaukel sitzt.

es schaukelt und schaukelt im sonnenlichte, zwischendurch schlazt es in den saftigen wiesenboden zu seinen füßen, und es frohlocked den folgenden text vor sich hin, das engerl:

 

wie werden die actionheldinnen der österreichischen literatur, ach, was sage ich, der einzigen ernstzunehmenden identität, die dieses depperte land hier überhaupt hat, wenn wir uns schon herablassen wollen, auf den identitätsdiskurs überhaupt einzugehen … wurscht … wo waren wir? … ah:

wie werden die beiden actionheldinnen der österreichischen literatur, jelinek und mayröcker, mit dem ang’soffenen engerl im rokkokko-garterl verfahren? sind sie dem leopard-panzer entronnen? hat es vielleicht noch ein anderer österreichischer intellektueller geschafft, sich nicht zu brei verarbeiten zu lassen? wird die schweigende mehrheit aus den sümpfen  unterhalb des gartengrundes steigen, um die ganze sache interessanter zu machen?

lesen sie, geneigte leserin und lieber leser, alles dieses nächsten sonntag auf tatsachen.at !

***

Bilder:

Textausschnitt: Screenshot nach einer Printausgabe der Kronen Zeitung – used strictly for educational purposes.

Artikelbild: Ellen Ripley, CC BY 2.0 (Sam Howzit, Flickr)