„entscheider“: moritat in zwei fundstücken nebst eingestreutem kunstzeugs. teil 2

Investigative Poetry
wir erinnern uns:
beim letzen mal hatten wir hierorts ein duett über einerseits den beruf des „entscheiders“ in asylfragen, andererseits das sich-entscheiden zwischen zwei waldwegen im romantischen mondenlicht. damit das ganze dann aber auch der textgattung der moritat angehören kann, wie uns die überschrift verheißt, fehlt noch was. nämlich:

„Völlig an den Haaren herbeigezogen sind Ihre Behauptungen, dass Frauen im Islam keine Rechte hätten. Es ist bekannt, dass in Afghanistan Frauen nahezu in allen Berufen tätig sind. Sie studieren auf Universitäten, sind in Medien aktiv, sind politisch Aktiv und sogar Provinzvorstände. Es gibt Yoga-, Schwimm und Radfahrgruppen in Kabul, nur vorn Frauen besucht. Die Lage der Frauen in Afghanistan bessert sich. Davon, dass dort die Frauen keine Rechte hätten, kann keine Rede sein. Diese Behauptung von Ihnen ist ohnehin bemerkenswert. Welche Bedeutung die Frauenrechte in Afghanistan für sie hätten, ist unklar. Fest steht, dass Sie kein Frauenrechtsaktivist waren und sind. Aus diesem Grund gibt es für Sie auch keine Probleme in Afghanistan.“

„Sie sind als Person auch völlig unglaubwürdig. Sie haben erst im Nachhinein, als Sie schon in Österreich gewesen sind und höchstwahrscheinlich auf die Unterstützung einiger kundiger Helfer zurückgreifen konnten , völlig neue Fluchtgründe vorgebracht! Auf völlig durchschaubare Art und Weise haben Sie dann mittels fadenscheiniger Begründungen Ihre Aussagen bei der Erstbefragung ‚vom Tisch gewischt‘ und einfach angepasst.“

„Sie sind eine absolut berechnende Person. Ihr Verhalten in Österreich, sich heimlich aus der Unterkunft in die Kirche zu schleichen, wäre völlig ident mit Ihrem künftigen Verhalten in Afghanistan, wo Sie Ihren angeblichen Glauben auch im Geheimen ausüben könnten.“

„Wieso sollten Sie ausgerechnet auf die Idee gekommen sein, sich für die westliche Kultur zu interessieren, bzw. für das Christentum? Das ist nicht plausibel. Sie haben wohl über viele Jahre lang zu hören bekommen, wie schlecht der Westen ist, weil er illegale Kriege führt, weil er unschuldige Menschen mit Drohnen bombardiert und tötet.“

Textquelle:
https://derstandard.at/2000080436561/Hoehnischer-Ton-in-Asylbescheid-sorgt-fuer-Kritik

Bildquelle:
Von Christian Michelides – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

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